Nachdem ich von Duncan „Flussmensch“ auf ein neuartiges Paddel aufmerksam gemacht wurde, ließ mich das Kopfkino nicht mehr los. Bereits vor ein paar Wochen schrieb ich einen kurzen Blog-Artikel zur vermeintlichen Neuerfindung des Paddels. Zu der Zeit noch sehr theoretisch angehaucht. Auf den sozialen Kanälen wurde mein Post heiß diskutiert, wenngleich ich glaube, dass die wenigsten meinen Blogbeitrag überhaupt gelesen hatten. Eines war uns jedoch allen eins: Keiner von uns hatte bis zu dem Zeitpunkt das Paddel selbst in der Hand gehalten. Nun wurde mir vor einigen Wochen ein Produktionsmuster zum Testen zugeschickt und ich kann meinen ersten Praxis-Eindruck teilen.
„Wovon zur Hölle redet der Typ eigentlich?“
Doch gehen wir einen Schritt zurück. Es geht um eine neue Paddel-Konstruktion. Das Paddel ist bekanntlich das wichtigste Zubehörteil des SUP-Sports überhaupt. Immer wieder habe ich die typischen Anfängerfehler gesehen: Man investiert lieber in ein neues Board, bevor man beim Paddel aufrüstet. Und wenn man dann aufrüstet, sind selten die wichtigen Faktoren ausschlaggebend. Meistens geht es den Käufern nur um das minimalste Gewicht oder „Hauptsache Carbon“. Ich habe mir so oft den Mund fusselig geredet. Es gibt wichtigere Attribute, nach denen man sein Paddel aussuchen sollte als Material oder Gewicht. Sprechen wir über Rake, Square-Inch und natürlich das Powerface. Gerade beim Paddel kann man stundenlang über das Shape diskutieren. Doch nun kommt eine britische Ingenieurs-Schmiede daher und behauptet frech, das Paddel neu erfunden zu haben. Oscar Propulsion. Das Paddel neu erfunden? Wo kämen wir da denn hin?
Was ist das besondere am Oscar Propulsion Paddel?
Das Paddelblatt ist übersät mit Schlitzen, durch die das Wasser hindurchströmen kann. Bzw. nicht nur kann, sondern sogar soll. Für den gewieften Paddler ist das natürlich erst einmal ein No-Go. Frevel. Schließlich müssen wir uns doch vom Wasser wegdrücken. Da müsste doch ein wasserdurchlässiges Paddelblatt so sinnvoll sein, wie mit einem offenen Cabrioverdeck in die Waschstraße zu fahren. Oscar Propulsion verspricht hingegen eine deutliche Verbesserung des Paddelverhaltens. Erreicht wird dies, indem schon während des Catches Wasser durch die Lamellen auf die Rückseite des Blattes fließt und die hier entstehende Sogwirkung reduziert. Weniger Verwirrbelungen im Catch, eine deutliche Entlastung der Schulter und des Ellenbogens sind die Folge. Höhere Endgeschwindigkeit, höhere Paddel-Effizienz und mehr Kontrolle verspricht uns Oscar Propulsion.
Ich habe das Paddel von Oscar Propulsion getestet
Durch Zufall kam ich direkt in Kontakt mit dem Geschäftsführer von Oscar Propulsion und er hat mir ein Paddel zum Test zugesandt. Vermutlich weil ich ihn mit zu vielen Fragen zum Paddel gelöchert habe. „Nimm das Paddel, geh mir nicht auf die Nerven und teste selbst“ dürften seine nachvollziehbaren Gedanken gewesen sein.
Einige Tage später kam das Paddel auch schon an und wurde sofort unter die Lupe genommen. Wirklich überraschend leicht, der Schaft hat einen angenehmen Durchmesser und die Verarbeitung wirkt absolut solide. Vor da es sich um ein Produktionsmuster handelte, kein Serienprodukt. Lediglich die Klemme des verstellbaren Paddels war nicht ordentlich am Schaft verklebt. Produktionsmuster, wie gesagt. Der Schaft ist steifer als an meinem Blackfish-Paddel, was aber auch auch kein Wunder ist. Schließlich ist es ein zweiteiliges Paddel und ich nutze schon seit etlichen Jahren nur noch einteilige. Durch die Materialdopplung am Schaft ist ein zweiteiliges in der Regel immer stiffer. Auch das Powerface mit der Double-Concave macht einen wirklich guten Eindruck. Die Lamellen sind gleichmäßig angeordnet und überlappen leicht, damit das Wasser nicht gerade hindurchströmen kann. Es wird nach unten weggeleitet, wodurch man mehr Druck im Blatt behält. Alles in allem macht es einen wirklich wertigen und durchdachten Eindruck und ich freute mich bereits auf den ersten Einsatz.
Der Praxistest steht an
Der sollte auch nicht lange auf sich warten lassen. Ein paar Tage später, als das Wetter endlich ein wenig Besserung versprach, trieb es mich hinaus auf die Ostsee. Im Gepäck ein 14-Fuß Hardboard von Jimmy Lewis und zwei Paddel: Meine Blackfish-Allzweckwaffe und das neue Testobjekt von Oscar Propulsion. Auf dem Parkplatz, während ich mich in den Trockenanzug schoss, wurde ich von einer Handvoll Angler argwöhnisch beäugt. Es waren ca. 3 Grad unter Null und wahrlich nicht das optimale Paddelwetter. Aber was muss, das muss. Board aufs Wasser, peinlich genau darauf bedacht, den Petrijüngern nicht durchs Angelrevier zu schippern und möglichst schnell und weit raus. „Schnell“ war jedoch erstmal Fehlanzeige. Natürlich nutze ich für die ersten Paddelzüge das neue Oscar Propulsion, von mir naheliegend OP getauft. Allerdings blieb der gewohnte Punch anfangs aus und ich wäre fast kopfüber in die fünf Grad kalte Ostsee getaucht. Unerwartet wenig Widerstand bot das Blatt auf den ersten zwei bis drei Zügen. Dementsprechend langsam kam ich vom Fleck. Es erinnerte mich ein wenig an meine ersten Versuche mit dem Starboard Lima mit Blattgröße S (Version 2021). Da hatte ich auch das Gefühl, mit einem Zahnstocher zu paddeln.
Keine Liebe auf den ersten Stroke
Das war schon etwas ernüchternd und ungewohnt. Ich wechselte also auf mein Blackfish, das zwischen meinen Füßen auf dem Boarddeck lag und sah zu, dass ich Land gewinne. Weg von den argwöhnischen Blicken der Angler, die sich durch meinen Trockenanzug brannten. 400 Meter vom Strand wechselte ich erneut zum OP. Diesmal wollte ich etwas anders vorgehen und mich auf das Paddel einlassen, anstatt ihm meine Technik aufzubürden. Ein neues Konzept kann ja bedeuten, dass ich etwas an meinem Habitus ändern muss. Also weniger Kraft ins Blatt legen und stattdessen das Ding erforschen. Schnell wurde mir klar, dass das Paddel anders genutzt werden muss. Es braucht weniger Kraft, die einfach sinnlos verpuffen würde. Es fühlte sich anders an, einfacher.
Auch wenn es natürlich ein paar Gramm schwerer ist als mein einteiliges Blackfish, fühlte sich jeder Schlag leicht an. Ein wirklich sanfter Catch von dem es leicht und smooth in die Zugphase übergeht. Hier ist kein Flattern spürbar (Was ich übrigens nie habe. In meinen Augen resultiert ein flatterndes Paddeln meist aus einer schlechten Paddeltechnik) und nach kurzer Eingewöhnung hat man sich darauf eingestellt, dass man nicht an dem Stecken ziehen muss, als würde das Leben davon abhängen. Es paddelt sich auf Strecke wirklich sehr angenehm. Ich kann nicht mit TÜV-ähnlichen Statistiken aufwarten, dafür fehlt es mir an Gerät, Personal und auch dem Know-How. Ich spreche statt dessen über mein Gefühl während des Paddelns, aus ein wenig Erfahrung der letzten knapp 15 Jahre und aus meinem Bauch heraus. Und ich sage, ich war nach kurzer Zeit positiv überrascht.Dennoch muss ich sagen, dass es mir die Korrespondenz zum Blatt etwas fehlt. Also das, was ich als „Punch“ bezeichne. Mangels entsprechender Bedingungen habe ich ein wenig das Anpaddeln von Wellen im Flachwasser simuliert. Also 2-3 schnelle, kräftige Schläge um auf Geschwindigkeit zu kommen. Da fehlt es für meinen Geschmack etwas. Für Downwind wird es vermutlich reichen, zum SUP-Surfen bietet das Blatt zu wenig Widerstand. Ein Test hierzu sollte eigentlich schon erfolgt von mir sein, jedoch muss dieser Verletzungsbedingt noch ein wenig warten. Hier bitte ich also noch um Geduld.
Fazit zum Oscar Propulsion - Für wen ist das Paddel geeignet?
Ich bin hin und her gerissen. Will ich meine Technik ändern und mich auf das innovative Blatt einlassen? Ja, ich will - und ich kann. Auf längeren Touren würde ich gerne auf das OP zurück greifen. Auch wenn der Antritt nicht so schnell ist - Wie sehr kommt es beim Paddeln auf die ersten drei Schläge an? Mal abgesehen von Welle und Race? Und das betrifft ja nur wenige. Wenn man trotzdem nach fünf Schlägen mit weniger Anstrengung die gleiche Geschwindigkeit erreicht und trotz ausbaufähiger Technik deutlich bessere Kontrolle hat?
Letzteres finde ich die interessantere Erkenntnis. Ich erreiche meine Geschwindigkeit und spare wirklich Kraft und Energie. Für Anfänger und Fortgeschrittene, Langstreckenpaddler und SUPer, die ihre Technik nicht ins Tausendstel unterbrechen wollen, ist das OP wirklich ein interessantes Paddel. Wer unter Schulter- oder Ellenbogenproblemen leidet, muss das OP ins Kalkül ziehen. Denn hier kann es seine Qualitäten wirklich ausspielen.
Ist es der Anfang einer neuen Ära?
Ich finde es beruhigend, dass es noch Innovationen gibt und das sie funktionieren. Und man muss bedenken: Es ist das erste Model und es ist als Allround-Paddel konzipiert. Ich hätte mit einem Lima sicherlich noch weniger Chancen in der Welle. Zudem kann ich mir vorstellen, dass es zukünftig weitere Paddel mit der Lamellentechnik geben wird. Warum nicht ein Paddel mit mehr Fläche und weniger, vielleicht anders angeordneten Schlitzen für die Welle? Gerade beim kurzfristigen Gas geben aus dem Stand kommt es zu Verwirbelungen und anfänglichem Flattern im Paddel. Da sehe ich durchaus Potential. Die Technik befindet sich noch am Anfang und dafür ist sie verdammt gut. Ich werde noch einige Tests machen und zum Beispiel mal ein paar Lamellen abkleben, was für einen Einfluss haben die Lamellen auf die Paddelstütze und wie gut geht das Paddel wirklich in Downwind und beim SUP-Surfen? Auch wirklich lange Strecken werde ich testen und hier immer wieder berichten. Herzlich willkommen in der Zukunft.
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